Erik Jan Hanussen
Mentalist, Medienstar und dunkler Prophet
Erik Jan Hanussen war eine der schillerndsten und zugleich rätselhaftesten Figuren der Weimarer Republik. Als Mentalist, Hypnotiseur, Hellseher und Journalist faszinierte er in den 1920er- und 30er-Jahren ein breites Publikum – bis ihn seine Nähe zur NSDAP und eine spektakuläre Prophezeiung das Leben kosteten. Sein Leben war eine Mischung aus Bühne, Politik, Okkultismus und Manipulation.
Frühe Jahre und Herkunft
Geboren wurde Hanussen am 2. Juni 1889 in Wien unter dem bürgerlichen Namen Hermann Steinschneider in eine jüdische Familie. Sein Vater war ein reisender Schauspieler, wodurch Hanussen früh mit der Welt des Theaters und der Illusion in Berührung kam. Er lernte Hypnose, Suggestion und Bühnentechnik – Fertigkeiten, die später das Fundament seiner Karriere bilden sollten.
Um seine Herkunft zu verschleiern und sich als nordischer Prophet zu stilisieren, änderte er seinen Namen in Erik Jan Hanussen und behauptete, dänischer Abstammung zu sein.
Aufstieg in der Weimarer Republik
In den 1920er-Jahren zog Hanussen nach Berlin, das zu dieser Zeit ein Zentrum von Unterhaltung, Okkultismus und Avantgarde war. Er etablierte sich rasch als Varietékünstler, Medienberater und Hellseher der Oberschicht. Seine Shows vereinten Hypnose, Telepathie und astrologische Vorhersagen. In der Berliner Gesellschaft – von Industriellen bis zu Politikern – genoss er hohes Ansehen.
Sein berühmtestes Projekt war der „Palast des Okkulten“ am Nollendorfplatz – eine Mischung aus Theater, astrologischem Institut und Hypnosezentrum. Dort führte er Massenhypnosen durch, bot Einzelberatungen an und inszenierte seine Persona als „Wunderseher“.
Presse & Propaganda
Hanussen nutzte geschickt die Medien für seinen Aufstieg. Er gab mehrere Zeitschriften heraus – darunter die Berliner Wochenschau –, in denen er astrologische Analysen mit politischer Propaganda mischte. Seine Deutungen reichten von persönlichen Horoskopen bis zu Vorhersagen globaler Ereignisse. Er war eine Art „Okkult-Journalist“, der es verstand, Schlagzeilen zu machen.
Kontakt zur NSDAP
Hanussen suchte aktiv die Nähe zur aufstrebenden NS-Bewegung. Berichten zufolge unterrichtete er Adolf Hitler in Körpersprache, Bühnenwirkung und hypnotischer Rhetorik. Auch SA-Offiziere und Parteikader gehörten zu seinem Klientel. Trotz seiner jüdischen Herkunft wurde er offenbar durch seine Fähigkeiten und seine Loyalitätsbekundungen toleriert – zumindest für eine gewisse Zeit.
Vorhersage des Reichstagsbrands
Im Februar 1933 soll Hanussen in einer öffentlichen Seance den Brand des Reichstags vorhergesagt haben. Ob er über tatsächliche Vorabinformationen verfügte oder schlicht spekulierte, ist bis heute unklar. Diese Prophezeiung machte ihn jedoch gefährlich – insbesondere für Kreise innerhalb der SA und der NSDAP, die politische Machtkämpfe austrugen.
Verhaftung und Ermordung
Am 24. März 1933 wurde Hanussen in Berlin von der SA verhaftet – mutmasslich wegen seiner Prophezeiung, politischen Verbindungen und möglicherweise offengelegter Informationen. Wenige Tage später fand man seine Leiche im Wald bei Berlin. Die offizielle Todesursache: Erschossen. Die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen.
Hanussen war zu diesem Zeitpunkt eine mediale Schlüsselfigur – und ein Mann, der zu viel wusste. Seine Ermordung wurde nie restlos aufgeklärt.
Kulturelle Nachwirkung
Hanussens Leben war Stoff für zahllose Romane, Theaterstücke und Filme. Besonders bekannt sind:
- „Hanussen“ (1988) – Film mit Klaus Maria Brandauer
- Biografie „Hitler’s Jewish Clairvoyant“ von Mel Gordon
- Zahlreiche Dokumentationen über seine Verbindung zu Hitler
Er gilt heute als Symbolfigur für die Verbindung von Medienmacht, Okkultismus und politischer Manipulation – und als warnendes Beispiel, wie Suggestion und Öffentlichkeit gefährlich miteinander verwoben sein können.
„Er war Prophet, Provokateur und PR-Stratege in einem. Und er starb an dem, was er sah – oder zu sehen vorgab.“
– Zeitgenössische Berliner Presse, 1933
Fazit
Erik Jan Hanussen verkörpert eine faszinierende, aber auch dunkle Episode der Zwischenkriegszeit. Als Entertainer mit übersinnlichen Anklängen und politischem Instinkt überschritt er Grenzen – zwischen Bühne und Macht, zwischen Spiel und Ernst. Seine Geschichte ist ein Spiegel für die Verführbarkeit der Massen, die Gefahren medialer Inszenierung und den schmalen Grat zwischen Einfluss und Untergang.